Amphibienschutz im Vogelsbergkreis

Kreisverbände von BUND und NABU schreiben Brief an Ministerien

Biodiversität in Hessen - Amphibienschutz an hessischen Straßen Verbesserung und Instandhaltung der Amphibien-Querungshilfen

Sehr geehrter Herr Staatsminister Al-Wazir,
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Hinz,
massenhaft werden jedes Jahr Amphibien auf hessischen Straßen getötet. Dabei könnten einfache Maßnahmen wirksam helfen. Zahlreichen Tier- Naturschützern liegt der Schutz unserer Molche, Kröten und Frösche vor massenhaftem Straßentod am Herzen – und der Amphibienschutz an Straßen ist ein wichtiger Beitrag zum Erhalt der Biodiversität in Hessen.
In wenigen Wochen wird die Amphibienwanderung 2018 beginnen. Ziel unseres Schreibens ist es rasches Verwaltungshandeln auszulösen, Schwachstellen an bekannten Amphibienquerungen zu verringern und kostengünstige Maßnahmen anzustoßen, die mit hoher Akzeptanz bei den hessischen Natur- und Tierfreunden belohnt werden. Unsere Beispiele haben wir unter den Amphibienwegen in Mittelhessen gewählt – den Amphibien muss aber in ganz Hessen geholfen werden.

 

Die einzelnen Forderungen des Briefes finden sie hier

Punkt 1: Unterhaltung und Reinigung der Amphibien-Querungshilfen –
Synergien zwischen Straßenunterhalt und Naturschutzverwaltung besser nutzen. Immer wieder beobachten wir, dass Querungshilfen beschädigt oder verschlammt oder verschmutzt werden, sodass die Lurche sie kaum nutzen können oder übersteigen.
Wie „Insider“ uns berichten sind derzeit die Zuständigkeiten zwischen Naturschutzverwaltung und „Straßen-Behörde“ so verteilt, dass in der Praxis der Unterhalt dieser teuren Einrichtungen nicht so stattfindet wie das für die Funktionsfähigkeit und den Werterhalt nötig wäre. Grob ausgedrückt: das Land Hessen finanziert und unterhält Straßen, das Land Hessen finanziert und unterhält Amphibien-Leiteinrichtungen an den Straßen. Leider werden naheliegende Synergieeffekte nicht genutzt. Einst war die Unterhaltung der Leiteinrichtungen Sache der Straßenmeistereien, heute sind – wenn wir richtig unterrichtet sind- die Zuständigkeiten gesplittet – de facto wird Steuergeld durch mangelhafte Unterhaltung vergeudet
Wie uns gesagt wird sind die Angestellten von HessenMobil zwar guten Willens, aber die Reinigung und Wartung der Anlagen ist nicht in ihrem „Budget“ enthalten. Den Mitarbeitern der Oberen Naturschutzbehörden aber fehlt – unabhängig von den finanziellen Mitteln- in der Praxis die Möglichkeit die nötigen Unterhaltung- und Reinigungsarbeiten durchzuführen. Wir können nicht verstehen, weshalb die Amphibienleiteinrichtungen nicht von HessenMobil gepflegt werden können – wie das bis vor einigen Jahren geschehen ist-.
Bei stationären Leiteinrichtungen ist zudem dringend eine bessere Information des Streckenpersonals nötig, um weitere Beschädigungen der teuren Einrichtungen z.B. bei der Pflege der Bankette zu verhindern. Als Beispiel führen wir einige Beobachtungen an Amphibienleitanlagen in Mittelhessen an:
a) Leiteinrichtung am Antrifftsee:
 Der „Graben“ waldseitig vor der Leiteinrichtung wird nicht „regelmäßig entlandet“, ebenso ein mit Gitter abgedeckter Wege-Anschluss.
Waldseitig wurde/wird in den „Graben“ vor der Leiteinrichtung Material von der Straße (Abraum der Bankette?) eingebracht. Insgesamt liegen dort nun bereits viele Tonnen Erd- und Steinmaterial vor dem Beton-Bord, ein Streifen von ca. 1 m Breite und ca. 0,1 m Höhe entlang der Leiteinrichtung.
Zahlreiche Beschädigungen der Beton-Oberkante der Leiteinrichtung wurden und werden verursacht durch Mulcharbeiten an der Bankette oder beim Abschieben der Bankette. Die Lebensdauer der Leiteinrichtung wird dadurch unnötig verkürzt, es besteht Reparaturbedarf.
Die Fülle solcher Beobachtungen lässt vermuten, dass dem eingesetzten Streckenpersonal die Besonderheiten der Leiteinrichtung nicht ausreichend bekannt sind. Das soll bitte nicht als Pauschalkritik an den Mitarbeitern von HessenMobil verstanden werden: wir sind mit mehreren Mitarbeitern der Straßenmeisterei bekannt und wissen, dass diese sehr sorgsam mit „ihren“ Bauwerken umgehen.
b) Reparatur-Notwendigkeit der Anlagen an den Habertshäuser Teichen
c) Reparatur-Notwendigkeit der Anlage am Hofgut Wäldershausen

Punkt 2: Tempo 30 für Amphibienwege
Auf „Krötenstrecken“ wird zu schnell gefahren, an den bekannten Überwegen ohne Amphibien-Leiteinrichtung in der Regel mit Normalgeschwindigkeit, d.h. mit 80-110 km/h. Der effektivste Amphibienschutz ist dort ein Tempolimit – Tempo 30. Dies soll zusätzlich zu den vorhandenen Hinweisschildern geschehen, temporär und nur während der ca. 3 Wochen der Haupt-Wanderzeit – die Autofahrer müssen sich dann nicht schikaniert fühlen, zumal bei einer 500 m langen Strecke der Zeitverlust bei 30 km/h gegenüber 100 km/h nur 42 Sekunden beträgt. Der Grund ist einfach zu vermitteln: Schnelle Autos töten durch Luftdruck! Kröten und Molche brauchen lange um über die Straße zu laufen. Selbst auf schwach befahrenen Straßen „begegnen“ ihnen dabei 5 bis 15 Fahrzeuge. Leider enden diese Begegnungen meist tödlich, auch wenn die Tiere nicht überrollt werden. Selbst wer auf 60 km/h abbremst und die Tiere „zwischen die Räder nimmt“, hilft ihnen nicht. Sie sterben durch die Druckunterschiede am so genannten Barotrauma - ihre Lungen platzen durch die heftigen Luftdruckschwankungen. Bei 30 km/h sind Autofahrer so langsam, dass sie erstens ohne Gefahr für sich und andere die Tiere „zwischen die Räder nehmen können“ und zweitens sind dann die Druckwellen so schwach, dass die Tiere überleben. Ein Modellversuch im RP-Mittelhessen könnte die Aufmerksamkeit auf eine einfache und kostengünstige Arten- und Tierschutz- Maßnahme bündeln und Vorbild für andere Regionen sein. Allerdings: parallel zur Geschwindigkeitsbegrenzung müssen Kontrollen angekündigt werden.


Punkt 3: Straßensperrungen auf Amphibienwanderabschnitten

Auf Nebenstraßen, die mit vertretbarem Aufwand umfahren werden können, sollten Straßensperren eingerichtet werden. Wie die Tempolimits sind Sperrungen auf die Dämmerungs- und Nachtstunden der Hauptwander-Zeiten zu beschränken. Mehrjährige Erfahrungen an der L 3073 bei Homberg-Wäldershausen zeigen folgendes Ergebnis:
Eine tatsächliche Vollsperrung, die wegen der Bewohner von Wäldershausen am Abzweig nach Maulbach nicht umfahren werden konnte, brachte ein akzeptables Ergebnis. Nur 20 % der Verkehrsteilnehmer umfuhren die Sperrbaken mit den Straßenverkehrsschildern. Sie mussten allerdings umkehren und fuhren dann innerhalb von Wäldershausen zurück, zumeist missachteten sie dabei die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung.
Die Sperrungen nur mit Baken und Durchfahrtverbotsschildern wurden in den anderen Jahren nur von 10 % der Verkehrsteilnehmer beachtet. Selbst Lastkraftwagen und Linienbusse hielten es nicht für notwendig, die Verkehrsregeln zu beachten. Diese Art der Sperre ist nur dann sinnvoll, wenn vorher angekündigte Stichprobenkontrollen vor dem „Amphibien-Wegen“ durchgeführt werden.


Punkt 4: Das Absammeln der Tiere von der Straße durch Helfer

ist an den meisten Stellen bei Dunkelheit wegen der hohen Geschwindigkeiten der Autos lebensgefährlich und somit nicht durchführbar.


Wir bitten Sie sehr, sich dieser Problematik anzunehmen – und sagen Ihnen gerne die Unterstützung von Seiten der Umweltverbände zu, fachlich und bei der Kommunikation der anstehenden Maßnahmen.
Mit besten Grüßen

gez. Dipl. Biol. Dr. Wolfgang Dennhöfer              für den BUND Vogelsberg

gez. Karl-Heinz Zobich                                               für den NABU Vogelsberg